Ok bin da
Ok bin da, Ausstellungsansichten Kunsthalle Düsseldorf, 2024
In der Schwebe: Über die Bildwelten der Serie Ok bin da
Die junge Frau ist auf allen vieren, hat uns den Rücken zugekehrt, an ihr rechtes Bein klammert sich ein Kind. Beide blicken uns an, die Frau dreht den Kopf in unsere Richtung, ihr schwarzes Haar fällt ihr ins Gesicht. Gleich wird die Bewegung weitergehen, wird sie das Bein mit dem Kind daran unter einiger Anstrengung einen Zentimeter anheben und nach vorne setzen, dabei wird das Kind die Arme noch etwas fester um den Oberschenkel schlingen, um nicht herunterzurutschen. Doch für einen Augenblick steht alles still. Jemand hat die beiden unterbrochen (aber wer?). Die Komposition der Arbeit „Umklammert“ erinnert an einen fotografischen Schnappschuss, die Augenblicke unmittelbar vor und nach dem festgehaltenen Moment sind leicht vorstellbar. Und doch hat die Szene aufgrund der formalen Ausgestaltung etwas Statisches; Bewegungslosigkeit und Dynamik existieren hier in einer spannenden Gleichzeitigkeit, die Larissa Rosa Lackner jeder einzelnen Arbeit ihrer Serie ok bin da mitgibt. Lackners Protagonist:innen, zumeist Frauen oder weiblich gelesene Figuren (die Künstlerin selbst?), blicken uns häufig direkt an. Dabei bleibt es – auch aufgrund der fehlenden Gesichtszüge - unklar, ob sie uns freundlich gesonnen sind oder ob sie uns als Störfaktor empfinden. So auch in der Arbeit „Umklammert“: Begrüßen Frau und Kind die hinzukommende dritte Person, deren Position wir als Betrachtende einnehmen, oder sind wir ungebetene Gäste?
In der Schwebe: Über die Bildwelten der Serie Ok bin da
Die junge Frau ist auf allen vieren, hat uns den Rücken zugekehrt, an ihr rechtes Bein klammert sich ein Kind. Beide blicken uns an, die Frau dreht den Kopf in unsere Richtung, ihr schwarzes Haar fällt ihr ins Gesicht. Gleich wird die Bewegung weitergehen, wird sie das Bein mit dem Kind daran unter einiger Anstrengung einen Zentimeter anheben und nach vorne setzen, dabei wird das Kind die Arme noch etwas fester um den Oberschenkel schlingen, um nicht herunterzurutschen. Doch für einen Augenblick steht alles still. Jemand hat die beiden unterbrochen (aber wer?). Die Komposition der Arbeit „Umklammert“ erinnert an einen fotografischen Schnappschuss, die Augenblicke unmittelbar vor und nach dem festgehaltenen Moment sind leicht vorstellbar. Und doch hat die Szene aufgrund der formalen Ausgestaltung etwas Statisches; Bewegungslosigkeit und Dynamik existieren hier in einer spannenden Gleichzeitigkeit, die Larissa Rosa Lackner jeder einzelnen Arbeit ihrer Serie ok bin da mitgibt. Lackners Protagonist:innen, zumeist Frauen oder weiblich gelesene Figuren (die Künstlerin selbst?), blicken uns häufig direkt an. Dabei bleibt es – auch aufgrund der fehlenden Gesichtszüge - unklar, ob sie uns freundlich gesonnen sind oder ob sie uns als Störfaktor empfinden. So auch in der Arbeit „Umklammert“: Begrüßen Frau und Kind die hinzukommende dritte Person, deren Position wir als Betrachtende einnehmen, oder sind wir ungebetene Gäste?
Es sind diese Momente, die Lackner in ok bin da einfängt; es geht um die Unsicherheit, die eine Begegnung zwischen Menschen in den ersten Sekunden oft prägt. Um den Zweifel, der mitschwingt, bevor sich uns eine Situation erschließt, bevor wir unser Gegenüber einschätzen können. In welcher Stimmung ist er oder sie? Bin ich Freund:in oder Feind:in? Immer wieder blitzt diese Ambivalenz in ihren Werken auf: So ist es beispielsweise nicht eindeutig, ob die Umarmung in der in „Halten“ zu sehenden Szene eine zärtliche Geste ist oder ob die Berührung der beobachteten Körper nicht doch unter ganz anderen Vorzeichen steht. Und auch in der Arbeit „Langsam“ scheinen die beiden Frauen trotz des Körperkontakts seltsam distanziert voneinander. Oft ändert sich die Atmosphäre der einzelnen Bilder mit der Dauer der Betrachtung, kippt ins Gegenteil und führt so zu einer ganz anderen Narration. Dabei bleibt es an den Betrachtenden, die Geschichte zu Ende zu denken. Denn trotz der direkten Blicke, die uns Lackners Figuren zuwerfen, bleiben sie zumeist unzugänglich, sie weigern sich - geradezu trotzig -, zu viel von sich preiszugeben.Die Serie ist somit durchaus auch als Kommentar auf eine Abbildungstradition der westlichen Kunstgeschichte zu verstehen, in der die weibliche Figur zum Objekt degradiert dem männlichen Blick ausgesetzt wird. In der Serie ok bin da gilt: Selbst wenn wir den Figuren in intimen Situationen begegnen findet niemals eine Inszenierung für unseren Blick statt. Wir bleiben außen vor. Teilnehmen und doch ausgeschlossen sein – Lackner bezieht sich hier auch auf die Erfahrung, die wir täglich in der Nutzung Sozialer Medien machen und die genüsslich voyeuristisch, aber auch schmerzhaft isolierend sein kann. ok bin da entstand ab Ende 2021, ein Jahr zuvor hatte Lackner begonnen, sich mit Malerei zu beschäftigen – ein wichtiger Grund hierfür: die Corona-Pandemie. Als alleinerziehende Mutter eines Kleinkindes schmolz die für die kreative Arbeit verfügbare Zeit auf ein Minimum zusammen. Diese ist in ihrer künstlerischen Praxis allerdings ein entscheidender Faktor, da ihre intermedialen Arbeiten zumeist auf Basis aufwändiger Recherchen entstehen. Gespräche mit Zeitzeug:innen, ausgedehnte Literaturrecherchen, das „tiefe Eintauchen in multiple Zeitebenen“, wie sie es nennt, lässt sie zu komplexen Werken zusammenfließen, die um (Re-)Konstruktion von Erinnerung und Geschichte kreisen. Mit Rückgriff auf eigene biografische Erfahrungen konstruiert sie anhand von Fotografie, Video, Film, Text und Performance Narrationen, die zumeist um weibliche Figuren kreisen. Dabei sind die unterschiedlichen Alltagsrealitäten der Akteur:innen hinsichtlich ihrer sozialen, politischen und psychologischen Dimensionen zwischen Dokumentation und Fiktion angesiedelt. Im Gegensatz zu dieser langwierigen, auf Zeit und Mitarbeit Anderer angewiesenen Praxis, ermöglicht Malerei innerhalb eines begrenzten Zeitfensters künstlerisch zu arbeiten, alleine, ohne auf andere angewiesen zu sein.
Es sind diese Momente, die Lackner in ok bin da einfängt; es geht um die Unsicherheit, die eine Begegnung zwischen Menschen in den ersten Sekunden oft prägt. Um den Zweifel, der mitschwingt, bevor sich uns eine Situation erschließt, bevor wir unser Gegenüber einschätzen können. In welcher Stimmung ist er oder sie? Bin ich Freund:in oder Feind:in? Immer wieder blitzt diese Ambivalenz in ihren Werken auf: So ist es beispielsweise nicht eindeutig, ob die Umarmung in der in „Halten“ zu sehenden Szene eine zärtliche Geste ist oder ob die Berührung der beobachteten Körper nicht doch unter ganz anderen Vorzeichen steht. Und auch in der Arbeit „Langsam“ scheinen die beiden Frauen trotz des Körperkontakts seltsam distanziert voneinander. Oft ändert sich die Atmosphäre der einzelnen Bilder mit der Dauer der Betrachtung, kippt ins Gegenteil und führt so zu einer ganz anderen Narration. Dabei bleibt es an den Betrachtenden, die Geschichte zu Ende zu denken. Denn trotz der direkten Blicke, die uns Lackners Figuren zuwerfen, bleiben sie zumeist unzugänglich, sie weigern sich - geradezu trotzig -, zu viel von sich preiszugeben.Die Serie ist somit durchaus auch als Kommentar auf eine Abbildungstradition der westlichen Kunstgeschichte zu verstehen, in der die weibliche Figur zum Objekt degradiert dem männlichen Blick ausgesetzt wird. In der Serie ok bin da gilt: Selbst wenn wir den Figuren in intimen Situationen begegnen findet niemals eine Inszenierung für unseren Blick statt. Wir bleiben außen vor. Teilnehmen und doch ausgeschlossen sein – Lackner bezieht sich hier auch auf die Erfahrung, die wir täglich in der Nutzung Sozialer Medien machen und die genüsslich voyeuristisch, aber auch schmerzhaft isolierend sein kann. ok bin da entstand ab Ende 2021, ein Jahr zuvor hatte Lackner begonnen, sich mit Malerei zu beschäftigen – ein wichtiger Grund hierfür: die Corona-Pandemie. Als alleinerziehende Mutter eines Kleinkindes schmolz die für die kreative Arbeit verfügbare Zeit auf ein Minimum zusammen. Diese ist in ihrer künstlerischen Praxis allerdings ein entscheidender Faktor, da ihre intermedialen Arbeiten zumeist auf Basis aufwändiger Recherchen entstehen. Gespräche mit Zeitzeug:innen, ausgedehnte Literaturrecherchen, das „tiefe Eintauchen in multiple Zeitebenen“, wie sie es nennt, lässt sie zu komplexen Werken zusammenfließen, die um (Re-)Konstruktion von Erinnerung und Geschichte kreisen. Mit Rückgriff auf eigene biografische Erfahrungen konstruiert sie anhand von Fotografie, Video, Film, Text und Performance Narrationen, die zumeist um weibliche Figuren kreisen. Dabei sind die unterschiedlichen Alltagsrealitäten der Akteur:innen hinsichtlich ihrer sozialen, politischen und psychologischen Dimensionen zwischen Dokumentation und Fiktion angesiedelt. Im Gegensatz zu dieser langwierigen, auf Zeit und Mitarbeit Anderer angewiesenen Praxis, ermöglicht Malerei innerhalb eines begrenzten Zeitfensters künstlerisch zu arbeiten, alleine, ohne auf andere angewiesen zu sein.
Als Vorlage dienen Lackner dabei eigene Fotografien sowie Skizzen erlebter Situationen und wahrgenommener Konstellationen, die 3 sie mit Ölpastellkreide zu Papier und gelegentlich auf Leinwand bringt. Grelle, strikt voneinander abgegrenzte Farbfelder, aus denen sich die Figuren zusammensetzen, bestimmen ihre Arbeiten. Die Verwendung von Ölpastellkreide führt zu einer satten, intensiven Farbigkeit, die es im Fall von Lackners Serie ok bin da unmöglich macht, sich ihr zu entziehen. Die dadurch resultierende Flächigkeit wird durch die Materialität des Mediums unterbrochen: Dem Pinselduktus eines pastosen Ölfarbauftrags ähnlich, sind auch hier die Spuren der großen Ölpastell-Sticks erkennbar, Farbe türmt sich zu kleinen Wülsten auf, lässt die Bewegung der führenden Hand erkennen. Dadurch entsteht eine Art Rauschen, die das Bild in Bewegung zu setzen scheint. Die Szenen spielen sich allesamt im stark abstrahierten Innenraum ab, nur gelegentlich verweisen ein Fenster, ein Laptop oder ein Handy auf eine Außenwelt. Die Konzentration liegt ganz auf den Protagonist:innen, ihren (Inter-)Aktionen und Konstellationen. Dabei treten die Figuren in starken Kontrast zu den Farbflächen, die den Raum markieren – hieraus resultiert die eingangs benannte Gleichzeitigkeit von Bewegungslosigkeit und Dynamik. Wie in ihren Fotografien, Installationen und Videos geht es auch in Lackners Malerei um weibliche Figuren, anhand derer sie über Rollenerwartungen und Zuschreibungen reflektiert. Es geht um Mutterschaft und Freund:innenschaft, um Nähe und Distanz sowie um (Nicht-)Kommunikation. Den Innenraum in ihren Werken als Ort des Weiblichen zu lesen, wäre allerdings verfehlt. Vielmehr verweist er einerseits auf das „Auf-sich-selbst-zurückgeworfen-Sein“, mit dem wir alle während der Pandemie konfrontiert waren. Andererseits formuliert Lackner hier auch eine Metapher für den Individualismus, für das „Um-sich-selbst-Kreisen“, das als ein zentrales Prinzip unserer Gegenwart gilt. Lackners Serie lässt sich in viele Richtungen interpretieren und es ist gerade auch diese Offenheit ihrer Malerei, die die Betrachtung zu einem Erlebnis werden lässt. Insofern spielt Zeit auch in der Rezeption eine Rolle: Lackner lädt uns ein, vor ihren Arbeiten zu verweilen, sich vor ihnen zu bewegen, Geschichten entstehen zu lassen.
Text: Ferial Nadja Karrasch
Als Vorlage dienen Lackner dabei eigene Fotografien sowie Skizzen erlebter Situationen und wahrgenommener Konstellationen, die 3 sie mit Ölpastellkreide zu Papier und gelegentlich auf Leinwand bringt. Grelle, strikt voneinander abgegrenzte Farbfelder, aus denen sich die Figuren zusammensetzen, bestimmen ihre Arbeiten. Die Verwendung von Ölpastellkreide führt zu einer satten, intensiven Farbigkeit, die es im Fall von Lackners Serie ok bin da unmöglich macht, sich ihr zu entziehen. Die dadurch resultierende Flächigkeit wird durch die Materialität des Mediums unterbrochen: Dem Pinselduktus eines pastosen Ölfarbauftrags ähnlich, sind auch hier die Spuren der großen Ölpastell-Sticks erkennbar, Farbe türmt sich zu kleinen Wülsten auf, lässt die Bewegung der führenden Hand erkennen. Dadurch entsteht eine Art Rauschen, die das Bild in Bewegung zu setzen scheint. Die Szenen spielen sich allesamt im stark abstrahierten Innenraum ab, nur gelegentlich verweisen ein Fenster, ein Laptop oder ein Handy auf eine Außenwelt. Die Konzentration liegt ganz auf den Protagonist:innen, ihren (Inter-)Aktionen und Konstellationen. Dabei treten die Figuren in starken Kontrast zu den Farbflächen, die den Raum markieren – hieraus resultiert die eingangs benannte Gleichzeitigkeit von Bewegungslosigkeit und Dynamik. Wie in ihren Fotografien, Installationen und Videos geht es auch in Lackners Malerei um weibliche Figuren, anhand derer sie über Rollenerwartungen und Zuschreibungen reflektiert. Es geht um Mutterschaft und Freund:innenschaft, um Nähe und Distanz sowie um (Nicht-)Kommunikation. Den Innenraum in ihren Werken als Ort des Weiblichen zu lesen, wäre allerdings verfehlt. Vielmehr verweist er einerseits auf das „Auf-sich-selbst-zurückgeworfen-Sein“, mit dem wir alle während der Pandemie konfrontiert waren. Andererseits formuliert Lackner hier auch eine Metapher für den Individualismus, für das „Um-sich-selbst-Kreisen“, das als ein zentrales Prinzip unserer Gegenwart gilt. Lackners Serie lässt sich in viele Richtungen interpretieren und es ist gerade auch diese Offenheit ihrer Malerei, die die Betrachtung zu einem Erlebnis werden lässt. Insofern spielt Zeit auch in der Rezeption eine Rolle: Lackner lädt uns ein, vor ihren Arbeiten zu verweilen, sich vor ihnen zu bewegen, Geschichten entstehen zu lassen.
Text: Ferial Nadja Karrasch